Am Duft der Zeit
Die Anregungen zu dieser Serie resultieren aus der Lektüre des Buches "Duft der Zeit" von Byung-Chul Han. In dem philosophischen Essay spürt der Autor verschiedenen Facetten einer heutigen Zeitkrise nach. Jedes Bild widmet sich der Zeit, immer in Bezug auf unser Zeiterleben. Lassen sich sinnliche Merkmale und Erscheinungsformen der Zeit mit den Mitteln der Fotografie transportieren?
Der Fotoapparat ist als eine Licht-Zeit-Maschine dem heute noch rätselhaften Phänomen der Zeit eng verbunden.
Seit dem großen Projekt »Zwischen Licht und Zeit« 2019/20 stehen Zeitphänomene im Zentrum meiner künstlerischen Arbeit.
Zwischen den Bäumen
„Zwischen den Bäumen“ ist eine visuelle Spurensuche zwischen der ersten und zweiten Natur.
Die zweite Natur ist die von den Menschen gemachte. Wie weit ist sie von der ersten ursprünglichen Natur entfernt? Die von den Menschen produzierten Objekte scheinen sich zu verselbstständigen und als eigenständige Wesen zu verhalten. Ihre Ausstrahlung verändert unser Lebensgefühl und Selbstbewusstsein.
Das, von dem wir glauben, es gehöre zur ersten Natur, wie z. B. die Bäume, ist mit unseren Ein- und Übergriffen verwoben. Gibt es die erste Natur überhaupt noch? Oder ist sie zur Projektionsfläche unserer Wünsche und (Alp)Träume erstarrt?
Der Philosoph Georg Lukács fragt, ob sich die lebendige ‚erste‘ in der totenhaft erstarrten ‚zweiten Natur‘ wieder erwecken lässt. Die Serie „Zwischen den Bäumen“ bezieht dazu Stellung, sie gehört als künstlerische Fotografie selbst der zweiten Natur an.
Baumporträts
Bäume haben viele Gesichter. Wie kann man Vielgesichtigkeit porträtieren? Diese Serie versucht das Wesen einiger Bäume zu erfassen. Es entstehen kleine Geschichten großer Lebewesen. Manchmal wirken sie seltsam zerbrechlich, manchmal trotzig, manchmal alt und jung zugleich.
Das Verharren der Bäume im ewigen Jetzt verleiht ihnen Würde und Kraft. Einige Arbeiten fragen danach, was passiert, wenn die bewegungslosen Zeiger der innren Uhr eines Baumes in Bewegung versetzt werden.
Diese Serie beginnt 2020 und ist nicht abgeschlossen.
Überschäumende Zeit
In der Zeit der Pandemie 2020/22 schlägt die Stunde des Händewaschens. Hinter Seifenschaum und Wasser eröffnet sich eine eigene Körperschau mit Landschaften oder Skulpturen, die sich zu neuen Momenten der Befeuchtung organisieren.
Die Fotoserie ist 2021 während des Lockdowns entstanden.
Zeichenstrassen
Die Pandemie 2020/22 ist auch die Zeit der Zeichen. Vordergründig überführen elektronische Darstellungsmittel das Unsichtbare der Viren in unsere Erfahrungsräume. Im Netz dieser Codierungen und Formeln werden wir Menschen zu Teilen unserer selbst erzeugten Muster, zu Bildpunkten in unzähligen Rastern. Die Auflösungsprozesse des Subjekts in den Datenströmen der digitalen Ordnung haben in dieser Pandemie an Sichtbarkeit gewonnen.
Metamorphosen
"Vor dem Meer und der Erd' und dem allumschließenden Himmel,
War im ganzen Bezirk der Natur ein einziger Anblick
Nicht zum Stehn war jetzo das Land, noch die Woge zum Schwimmen,
Noch voll Lichtes die Luft: kein Ding hatt' eigne Gestalt noch."
Ovid, Metamorphosen, 1. Buch, Die Schöpfung
Himmelszeit
«So kommt es zu diesem Kreis, der die Kreisbahn der Sonne nachahmt; denn wie die Sonne sich nach dieser oder jener Seite der Ekliptik bewegt, so steigt und fällt im Kreise das Feuchte. Wir müssen uns dies vorstellen wie einen Fluss, der, der Luft und dem Wasser gleichmäßig zugehörig, abwechselnd steigt und fällt. Ist die Sonne nahe, so steigt der Wasserdampf stromgleich auf; entfernt sie sich, so strömt der Regen nieder. (...) Es steigt also fortwährend das Feuchte auf durch die Kraft des Warmen und fällt wieder zur Erde nieder infolge der Abkühlung (…)."
Aristoteles 1984, 346 b37–347 a10